
Der Werkzeug- und Formenbau ist das Fundament der industriellen Fertigung. Ohne hochpräzise Werkzeuge gäbe es keine komplexen Bauteile für Automobil, Luftfahrt oder Konsumgüter. Die Branche steht für Qualität und Präzision – doch bei der Digitalisierung zeigt sich ein anderes Bild. Während über 80 % der Betriebe auf modernste 5-Achs-Bearbeitungszentren setzen, nutzen weniger als 20 % durchgängig digitale Prozessketten. Tabellenkalkulationen und Bauchgefühl sind vielerorts noch die wichtigsten Werkzeuge für Planung und Kalkulation. Diese Diskrepanz zwischen technologischer Spitzenleistung und organisatorischer Rückständigkeit ist ein Kernproblem – und zugleich die größte Chance für die Branche.
Eine aktuelle Digitalisierungsstudie unter 314 KMU* zeigt ein klares Bild:
Dabei liegen die wirtschaftlichen Vorteile auf der Hand: Unternehmen, die ihre Prozesse digitalisieren, erzielen Einsparungen von bis zu 32 % bei Prozesskosten, 28 % bei Verwaltungskosten und 22 % bei Lagerkosten. Im Vergleich dazu wirken klassische Optimierungsansätze wie die Reduzierung von Werkzeugkosten um wenige Prozent fast bedeutungslos. Die Frage lautet also nicht, ob Digitalisierung notwendig ist, sondern wie schnell sie umgesetzt werden kann.
Künstliche Intelligenz wird oft als die nächste Revolution gehandelt. Doch ist KI tatsächlich die neue Industrie 4.0? Ja – wenn wir nicht aufpassen. Denn wie bei früheren Hypes besteht die Gefahr, dass Unternehmen ohne klare Strategie in teure Pilotprojekte investieren, die keinen nachhaltigen Nutzen bringen. KI ist kein Selbstzweck, sondern ein Werkzeug, das nur dann wirkt, wenn die Grundlagen stimmen: saubere Daten, durchgängige Prozesse und eine Kultur, die Veränderung zulässt.
Der Einstieg in KI muss pragmatisch erfolgen. Sinnvolle Anwendungsfälle sind dort zu finden, wo große Datenmengen verarbeitet oder repetitive Aufgaben automatisiert werden können. Beispiele:
Diese Anwendungen sind keine Zukunftsmusik, sondern bereits heute realisierbar – vorausgesetzt, die Unternehmen definieren klare Use Cases und investieren in die notwendigen Grundlagen.
Die Studie zeigt: Digitalisierung kann Prozesskosten um bis zu 32 % senken, Verwaltungsaufwand um 28 %, Energiekosten um 15 %. Im Vergleich dazu bringt die klassische Optimierung von Bearbeitungswerkzeugen oft nur 3 % Einsparung. Wer also weiterhin primär an Werkzeugkosten schraubt, verschenkt enormes Potenzial. KI ist dabei ein zusätzlicher Hebel: Sie kann nicht nur Kosten senken, sondern auch die Geschwindigkeit und Qualität von Entscheidungen erhöhen – ein entscheidender Vorteil in einem Markt, der immer kürzere Lieferzeiten und höhere Flexibilität fordert.
Trotz aller Automatisierung bleibt eines unverändert: Der Erfolg im Werkzeugbau hängt von der Kombination aus Prozessdenken, Technologie und Menschlichkeit ab. KI kann Entscheidungen vorbereiten, aber nicht die Verantwortung übernehmen. Sie kann Daten analysieren, aber nicht die Erfahrung eines Werkzeugmachers ersetzen. Die Zukunft gehört jenen Betrieben, die beides verbinden: digitale Intelligenz und handwerkliche Exzellenz.
Die Branche steht an einem Wendepunkt. Wer jetzt handelt, kann nicht nur Kosten senken, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern. Wer hingegen zögert, riskiert, den Anschluss zu verlieren. Technologie bleibt nie stehen – entweder man ist dabei oder nicht. Der Werkzeugbau muss laufen lernen, bevor er rennen kann. KI ist dabei kein Sprint, sondern ein Marathon – und der Startschuss ist längst gefallen.
*Digitalisierungsstudie 2024/ 2025 | Für KMU und Mittelstand